Unsere Neuerscheinungen im Frühjahr

Unser Frühjahrsprogramm 2021 bringt einen Essay von Marica Bodrožić, einen Gedichtband von Julian Schutting, Romane von Rudolf Habringer und Birgit-Müller Wieland sowie ein autobiografisches Reisetagebuch von Leopold Fellinger.

Als im Frühling 2020 die Welt zum Stillstand kam und auch die Erde durchzuatmen schien, las Marica Bodrožić zwei Monate lang auf ihrem Balkon jeden Abend Rilkes Gedicht „Der Panther“. Entstanden ist darauf „Pantherzeit – Vom Innenmaß der Dinge“ – eine philosophische Reflexion über die Kraft der Grenze und des Schweigens, über Nähe und Liebe, über die Erfahrung von körperlichem Schmerz und die hinter dem Schmerz sprechende Syntax der Heilung. Dieser Essay ist Anrufung und Gebet, eine Feier der Langsamkeit und Genauigkeit, ein Niederknien vor der Gnade und den Verwandlungen des Lebens. Hellfühlig, rigoros, poetisch und politisch zugleich erzählt dieser Text davon, auf welche Weise jeder einzelne Mensch zählt und dass sein Wert nicht verhandelbar ist.

Julian Schuttings neuer Lyrikband „Winterreise“ ist eine Begegnung mit der Romantik und gleichermaßen deren Fortschreibung. Den Weltschmerz der Romantik bannt Schutting in einen kühnen, lyrischsachlichen, manchmal ironischen Ton und formuliert eine abgeklärte Alterselegie, die um die letzten Dinge genauso reflektiert wie um das, was das Leben ausgemacht hat: die Liebe, die Natur, die Kunst. Das Tiefgründige wird dabei geradezu spielerisch-leicht beschworen. So unbeschwert und intensiv zugleich hat man den Lyriker Schutting noch nie erlebt. Mit der „Winterreise“ ist er zweifellos am Höhepunkt seiner Kunst angekommen.

In Rudolf Habringers Roman „Leirichs Zögern“ gerät das Leben des Protagonisten Georg Leirich aus den Fugen – eine Fremde spricht ihn an und eröffnet ihm, dass er einen Halbbruder hat, von dessen Existenz er bisher nichts wusste. Plötzlich muss sich der Historiker seiner eigenen Familiengeschichte stellen. Unversehens gerät die Auseinandersetzung mit dem unbekannten Bruder zu einer Beschäftigung mit Leirichs Kindheit, dem lange schon verstorbenen Vater und einem Schweigen, das zum Teil der Persönlichkeit des Vaters geschuldet ist, zum anderen Teil den gesellschaftlichen Bedingungen der Nachkriegszeit – ein starker Roman, der an Tabus rührt und unangenehme Fragen stellt: Wie sicher sind die Wahrheiten, auf denen unser Leben steht?

Birgit Müller-Wieland befasst sich in Ihrem Buch mit der Frage, was passiert, wenn sich das Leben auf unvorhergesehene Weise ändert. „Vom Lügen und vom Träumen“ erzählt von Figuren, die sich auf unterschiedliche Weise den Brüchen in ihren Biografien stellen. In starken Szenen zwingt die Autorin ihre Figuren zu Entscheidungen von Tragweite, welche sich manchmal als falsch erweisen und Lüge, Verrat, Verschweigen provozieren. Es ist Vergnügen und Herausforderung zugleich, dem dichten Geflecht von Verweisen zu folgen, Zusammenhänge zu deuten und in bangen Vermutungen bestätigt zu werden – ein großartig komponierter Roman, dessen einzelne Stimmen erst im Zusammenspiel ihre Komplexität und Raffinesse entfalten.

Reiseerlebnisse gehören zu den intensivsten Erfahrungen im Leben. Doch nicht alle Reisen bringen Staunen und Freude; auch Einsamkeit, Suche und Enttäuschung sind feste Bestandteile der Erinnerung. Oft ist es eine Reise ins Innere der eigenen Seele, und indem man sie bereist, erlebt man die verschiedenen Seiten seines Ichs. Leopold Fellinger hat sich daher vor einiger Zeit entschlossen, sich selbst Briefe von seinen Reisen zu schreiben, um sich fnach Jahren wieder zu begegnen und darüber zu staunen, welches „Ich“ diese Briefe damals verfasst hat, die sich heute lesen, als hätte sie ein Fremder geschrieben. „Ich ist der Andere“ ist ein Buch, das mit Geschichten und monochromen Fotografien dazu verführt, bereiste Orte aus anderen Blickwinkeln zu betrachten.



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