Wie entsteht eine Ausgabe unserer Literaturzeitschrift?

Beitragsbild zum Artikel © Otto Müller Verlag

Die Arbeit an einer Literaturzeitschrift stellen sich viele vielleicht romantisch vor – den lieben langen Tag spannende Texte lesen und daraus die besten für die nächste Ausgabe auswählen. Das stimmt zum Teil, aber zur Arbeit gehört auch viel Planung, Kommunikation, Organisation und immer wieder auch Improvisation. Wie genau entsteht also eine neue Ausgabe von Literatur und Kritik?

Am Anfang steht die Themenfindung. Fünfmal im Jahr wird ein Schwerpunktthema festgelegt, das eine Klammer bildet – aber keine Grenze. Chefredakteurin Birgit Müller-Wieland formuliert es so: „Es soll einen Resonanzraum in jenem Sinn öffnen, den der Soziologe Hartmut Rosa als ’schwingendes System‘ zwischen Beteiligten definiert. Es soll vielfältige Assoziationen freisetzen können, aktuell und zeitübergreifend sein.“

Anschließend beginnt die redaktionelle Abstimmung mit den Beitragenden: Texte werden angefragt, Lektorate abgestimmt, Korrekturen verschickt – oft mehrfach. Parallel dazu werden Biografien eingeholt, Honorarformulare verschickt, wenn nötig Rechte geklärt und der endgültige Aufbau des Hefts geplant: Welche Texte eröffnen das Thema? Welche schließen es ab? Wie fügt sich das Editorial ein?

Ist alles beisammen, geht es an die Gestaltung. Der Grafiker erstellt einen ersten Layout-Entwurf und der Satz wird mehrfach Korrektur gelesen. Sobald die finale Version steht, geht das Heft in Druck. Doch auch dann ist die Arbeit nicht zu Ende: Belegexemplare werden verschickt, Honorare ausbezahlt, das Heft wird auf Website, Social Media und im Newsletter vorgestellt.

Der Ablauf mag hier sehr geradlinig klingen, doch verläuft kaum eine Ausgabe so rund: Nicht alles trifft rechtzeitig ein, Beiträge müssen ersetzt, Themen manchmal umgedacht, Reihenfolgen neu sortiert werden. Manches entsteht mit viel Vorlauf, anderes sehr kurzfristig. Während das eine Heft noch im Entstehen ist, wird bereits an den nächsten Ausgaben gearbeitet. Vertrieb, Förderung und Leser:innenverwaltung laufen ohnehin durchgehend weiter – inklusive der Frage, wie eine Literaturzeitschrift eigentlich den Weg in den stationären Buchhandel oder zu den Leser:innen findet, denn so einfach ist das leider nicht:

Trotz vieler Bemühungen ist Literatur und Kritik nicht flächendeckend im Handel erhältlich. Das hat mehrere Gründe: Als unabhängige Literaturzeitschrift erscheint Literatur und Kritik in vergleichsweise kleiner Auflage, mit einem schmalen Budget und ohne die Logistik großer Auslieferungen im Rücken. Der Vertrieb läuft direkt über den Verlag – eine bewusste Entscheidung, aber auch eine pragmatische, denn die Aufnahme in den Großhandel ist für kleinere Publikationen häufig mit hohen Kosten und wenig Aussicht auf Sichtbarkeit verbunden. Selbst größere Buchhandelsketten arbeiten primär über zentrale Einkaufssysteme, die auf umsatzstarke Titel ausgelegt sind und nicht auf literarische Zeitschriften im Nischenformat.
Viele unabhängige Buchhandlungen sind sehr offen für solche Publikationen, müssen aber genau kalkulieren, was sich auf Lager lohnt, und können bei geringer Nachfrage, wie es bei Literaturzeitschriften leider einfach der Fall ist, nicht dauerhaft Raum für ein einzelnes Heft freihalten. So bleibt der direkte Weg über den Verlag aktuell der zuverlässigste. 

Oder eben der über besonders engagierte Leser:innen wie jene Münchnerin, 75 Jahre alt, die sich selbst auf die Suche gemacht hat, die einzige Buchhandlung ausfindig machte, die Literatur und Kritik führt und mit zweimal Umsteigen dorthin fuhr, um sich ein Exemplar zu holen. Solche Geschichten rühren uns, und erinnern daran, wie viel Bedeutung eine Zeitschrift haben kann – auch abseits von Algorithmen, Webshops und Warenlogik.

Ein Team von drei festen Redaktionsmitgliedern (Birgit Müller-Wieland, Christine Rechberger und Nadine Samija), dazu Grafiker, Druckerei, Versanddienstleister etc. – viele kleine Zahnräder greifen ineinander, damit am Ende ein Heft erscheint. 

Dahinter steckt also weit mehr als bloß ein Arbeitsablauf: Es ist das Ergebnis von großem Engagement, literarischer Überzeugung und ganz großem persönlichen Einsatz. Jede Ausgabe ist auch ein Beweis dafür, was Menschen bereit sind zu leisten, um Literatur in die Welt zu bringen. Das gilt für alle im Team, die mit Sorgfalt, Herz und Zeit über den Seiten sitzen, genauso wie für jene Buchhändler:innen, die trotz knapper Ressourcen Literatur und Kritik ins Sortiment nehmen, für Veranstalter:innen, die Präsentationen einzelner Ausgaben oder ganzer Jahrgänge ermöglichen und für Sichtbarkeit sorgen, und für Journalist:innen, die sich mit den Inhalten auseinandersetzen und sie weitertragen.

Und kaum ist eine Ausgabe gedruckt, beginnt alles von vorn.

Was Birgit Müller-Wieland als neue Herausgeberin nach zwei fertigen Ausgaben gelernt hat?

„Nie gibt es genug Zeit, um alle Lesungen zu besuchen, Bücher und Beiträge zu lesen, allem gerecht zu werden.  
Das Editorial zwingt mich, der Gegenwart Sinnhaftes entgegenzusetzen. 
Jeden Tag, wenn ich das Mailprogramm öffne, überraschen mich neue literarische Welten. 
Sie verbinden mich mit anderen Menschen, ihren Traumbildern, Analysen, Sinn- und Unsinnszusammenhängen, all ihrem Trotz und Widerstand, ihrer fragilen Lebendigkeit.“

FAQ – Vertrieb & Buchhandel

Warum finde ich Literatur und Kritik nicht in jeder Buchhandlung?
Weil Literatur und Kritik nicht über Großhändler, sondern direkt über den Verlag vertrieben wird. Viele Buchhandlungen arbeiten ausschließlich mit zentralen Einkaufssystemen, die auf hohe Stückzahlen und starke Verkaufszahlen ausgelegt sind – dafür ist eine Literaturzeitschrift im kleineren Format oft nicht geeignet.

Wird die Zeitschrift überhaupt im Handel angeboten?
Ja! Einige engagierte Buchhandlungen führen Literatur und Kritik. Häufig basiert das aber auf persönlichem Kontakt und gezielter Nachfrage. Wenn Ihre Buchhandlung die Zeitschrift nicht lagernd hat, kann Sie sie problemlos direkt beim Verlag bestellen.

Was ist der sicherste Weg, an ein Heft zu kommen?
Per E-Mail direkt an den Verlag (vertrieb@omvs.at), über ausgewählte Buchhandlungen (Hier gibt es eine Liste von Buchhandlungen, die die Zeitschrift im Sortiment führen) im Geschäft oder online via liberladen.org.

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